Ein Pharaonengrab in der Schule
Parkstr. 3
51371 Leverkusen
Teilansicht der Wandmalerei: Wir beginnen links. Der Pharao Haremhab wird vom Gott Nefertem empfangen. In der Mitte folgt das Mundöffnungsritual aus dem Grab des Tutanchamun. Und rechts ist der Bürgermeister Sennefer zu sehen. Vor ihm steht seine Gattin Merit. Sie überreicht ihm Amulette.
Willkommen bei "Ein Pharaonengrab in der Schule" in Monheim am Rhein.
Ein Projekt in der Peter Ustinov Gesamtschule
"Wenn wir den Blick zurück wenden - und zu diesem Zweck leisten wir uns den Luxus eines Faches wie Ägyptologie-, dann nicht aus Nostalgie oder Sehnsucht nach dem Ursprung, sondern um uns über uns selbst in unserem Gewordensein Rechenschaft abzulegen und mehr Verständnis für andere Kulturen aufzubringen, die diesen Weg nicht gegangen sind".
Jan Assmann, Ägyptologe
Die Abbildung zeigt Wandbilder aus dem Grab des Pharao Haremhab. Der König betritt als toter und wiedergeborener osirisgleicher König das Jenseits. Horus führt den König vor die einzelnen Gottheiten - vor Isis und Hathor - schließlich steht er vor Osiris, welcher den König als seinen geliebten Sohn Horus begrüßt. An anderer Stelle gehe ich auf den Aublauf näher ein.
1. "Das Projekt"
Das Pharaonengrab kann man bewundern, indem man ein paar Schritte über den Schulhof geht, die Pausenhalle im B-Gebäude durchschreitet und dann einige Stufen abwärts steigt, und man wird dem Sonnengott Rê Auge in Auge gegenüberstehen. Rê verbirgt seine wahre Identität hinter einer Falkenmaske, geheimnisvoll wie alle Götter Ägyptens, wie das Land selbst.
1.1. Wie alles begonnen hatte
Der Tag, an dem ich über ein Thema für die Projektwoche grübelte, liegt jetzt 23 Jahre zurück. Seit jenem Tag stellte sich mir die Frage, was ich in der kommenden Projektwoche anbieten könnte, nicht mehr. Damals ahnte ich allerdings noch nicht, dass daraus ein längerfristiges Projekt werden könnte und schon gar nicht, dass sich das Thema zu einer Leidenschaft entwickeln würde.
Der Drang zum Schöpferischen erfasste im Laufe der Zeit nicht nur mich sondern auch die Schüler, die das Projekt über viele Jahre unterstützten. Als ich einen Raum innerhalb der Schule nach dem Vorbild altägyptischer Grabkammern auszumalen beabsichtigte, hatte ich keine bestimmte Grabanlage im Sinn, da es dafür keine geeigneten Räumlichkeiten gab. Folglich beschränkte ich mich auf eine Auswahl von Bildinhalten, die aussagekräftig genug waren und sind, um auch Unterrichtsinhalten dienlich sein zu können.
Nachdem recht bald die Raumfrage
geklärt war, stand der Verwirklichung des Projektes nichts mehr im Wege. Aus einem privaten Nachlass hatte ich genügend Dispersionsfarben beschaffen können, andernfalls wäre aus dem Vorhaben nichts
geworden. Nun musste ich zahlreiche Bücher auf geeignete Vorlagen durchforsten In rascher Folge fertigte ich die Umzeichnungen an, die später auf die Wände übertragen werden
sollten.
Auf der Deckenschräge befindet sich ein Motiv aus dem Amduat, einem Unterweltsbuch. In ihm wird die Fahrt der Sonne durch die 12 Stunden der Nacht geschildert. Das hier dargestellte Thema stammt aus der 11. Stunde der Nacht und erklärt den Ablauf der Zeit. Die Unterwelt ist in zwölf Stundenbereiche unterteilt. Rê fährt während der Nachtstunden durch diese zwölf Bereiche der Dat (Unterwelt). Was aber bewirkt das Vergehen der Stunden? Der Vorgang wird im Amduat so erklärt: Die Zeit ist eine Schlange, auf der eine Göttin sitzt. Aus dem Maul der Schlange treten die Stunden als Sterne aus. Sie verkörpern alle Stunden der Nacht. Ist eine Stunde abgelaufen, wird sie wieder "verschlungen" oder "fortgenommen". Über und unter der Schlange sind 10 Sterne. Sie symbolisieren die bisher vom Schlangenleib verschlungenen Nachtstunden. Die Schlange verschlingt die 12 Nachtstunden, damit der Sonnen-aufgang zur rechten Zeit erfolgen kann. Im nachfolgenden Kapitel 12 gehen wir noch einmal auf das Amduat ein.
Die Beischrift lautet:
Ihr eigener Leib (der Göttin).
Sie ist über dem, „Der die Stunden fortnimmt".
Was sie zu tun hat:
(durch) die Stimme Rês zu
leben, Tag für Tag.
Sie verschlingt ihre Bilder (wieder) bei dieser Stätte.
Es ist die elfte Stunde, eine vom Gefolge des Rê."
Hier endet der Text. Über dem doppelköpfigen Gott beginnt die Beischrift für 12 weitere Götter, von denen hier lediglich der Gott "Doppelkopf in Erscheinung tritt. Alle 12 sind im oberen Register der 11. Stunde des Amduat dargestellt. Der Text beginnt mit den Worten: „So sind sie [die 12 Götter] beschaffen“. Wenn der Sonnengott Rê mit seiner Barke diesen Stundenbereich durchfährt, so ruft er „sie an mit ihren Namen: Kommt heraus zu mir. Verborgene! Leuchtet für mich..." Wir begnügen uns hier nur mit einem Auszug.
Die Sargkammer – Die Mitte der Unterwelt
Mit Verlassen der unteren Plattform betreten wir die Sargkammer. Wir haben den tiefsten Punkt des Grabes erreicht. Er ist deshalb der tiefste Punkt, weil er die Mitte der Unterwelt markiert. In ihr steht der Sarkophag. Darin ruht die Mumie des Verstorbenen. Dieser Raum des Grabes wird "Goldhaus" genannt. Es ist ein heiliger Raum, weil der Gottesleib des Osiris dort ruht. Und diesen tiefsten Punkt der Duat (Unterwelt) markiert der Sarkophag, in dem der Leichnam des osirisgleichen Königs in Ewigkeit seiner Regeneration entgegensieht.
Wir lassen den Raum mit seiner Ikonographie einen Augenblick auf uns wirken. Diese Buntheit will ganz und gar nicht zu unserer Vorstellung vom düsteren Grab passen. Die Grabdekoration vermittelt keine Trauer, ritualisiert nicht den Verlust, sie belehrt nicht, sie verkündet den Übergang in eine jenseitige Welt. Sie zeigt, wie dieser Übergang stattfinden wird. Indem der Verstorbene sich mit dem Ablauf des Geschehens schrittweise identifiziert, findet der Prozess seiner Verwandlung statt. Die Bilder sind wie Hieroglyphen zu lesen, sie begleiten und leiten, sie machen den Prozess der Verwandlung möglich. Was kein Priestermund mehr zu rezitieren vermag, das ist für alle Ewigkeit auf den Wänden manifestiert als dauerndes sich immer wieder vollziehendes Geschehen. Das ist das Geheimnis des Todes, der kein Ende markiert, der das Tor zur Jenseitswelt öffnet, das kein Lebender je sehen wird, das nur in heiligen Einweihungsriten geschaut werden kann.
Er war »größer als die Großen« und »mächtiger als die Mächtigen«
Wer kann von sich schon behaupten, dass er »größer als die Großen« und »mächtiger als die Mächtigen ist«. Heute würde man eine solche Person "Big Boss" nennen, der gleich hinter dem Obersten Big Boss, dem Regierungschef, steht, sozusagen sein direkter Bevollmächtigter, der fast alles ist, nur noch kein König. Eine solche Person gab es vor über 3000 Jahren und ihre Karriere war ohne Beispiel. Diese Person kennen wir unter dem Namen Haremhab[1].
Er war kein Mitglied der Königsfamilie. Auch scheint er kein Angehöriger der so genannten "High Society" von Memphis, der administrativen46 Hauptstadt, gewesen zu sein. Er kontrollierte als »Obervermögensverwalter« den königlichen Haushalt, trug den Titel eines Generalissimus, der sonst nur dem Kronprinzen gebührte. „Daneben gehörten ihm die höchsten Rang- und Ehrentitel eines »Erbprinzen« beziehungsweise »Fürsten« eines »einzigartigen Vertrauten« und eines »Wedelträgers zur Rechten des Königs«, der seit Amenophis III. dem nubischen Vizekönig und nur selten anderen höchsten Beamten verliehen wurde".[2]
Haremhab nannte sich auch »königlicher Sekretär. Seine wirkliche Machtstellung dokumentiert sich in dem Beititel »Oberster Mund des Landes« und in dem Titel »Stellvertreter des Königs an der Spitze der Beiden Länder«. Weitere Titel waren: »Hüter des Palastgeheimnisses«, »Erster der königlichen Höflinge«, »Gesandter des Königs«, »Rekrutenschreiber«, »Vorsteher der Rekruten des Herrn der Beiden Länder« u.a.[3] Die soeben beschriebene herausragende Stellung belegt ein Türpfosten seiner Grabanlage54 bei Memphis. Dort sind solche Titel aufgeführt. Wir erfahren, dass er „größer war als die Großen, mächtiger als die Mächtigen, der große Anführer der Untertanen..., der den König auf seinen Reisen in die südlichen und nördlichen Fremdländer begleitet.., Oberster der bedeutendsten Höflinge, dem die Einzigartigen das Vertrauliche zu Gehör bringen, Hüter der Palastgeheimnisse..." Er war „vom König Abgesandter Botschafter an der Spitze seiner Expeditionen in die südlichen und nördliche Fremdländer... vom König erwählt, um an der Spitze der Beiden Länder zu stehen, um die Beiden Ufer zu regieren...“[4] Von Haremhab erfahren wir auch, dass er für einen erfolgreichen Feldzug mit den Ehrenkragen aus purem Gold über und über dekoriert worden war. Seine Kriegsbeute bestand unter anderem aus Menschen, die er in seinem Grab gleich reihenweise als Gefangene in gedemütigter Haltung verewigen ließ. So viel zur Karriere eines Ägypters aus einfachen Verhältnissen. Was lernen wir daraus? In Ägypten musste man nicht unbedingt aus einem vornehmen Hause stammen, um hohe Ämter bekleiden zu dürfen.
Die gegenüberliegende Wand (Abb. 24) ist diesem König größtenteils gewidmet. Die Malerei stammt aus seinem Königsgrab, das er sich anlegen ließ, als er den Thron bestiegen hatte. Sein ursprüngliches Grab in Sakkâra (bei Memphis, südlich von Kairo) hatte er deshalb aufgegeben, denn nun war er "Herr der Beiden Länder" und "König von Ober- und Unterägypten" und hatte Anspruch auf eine königliche Grabanlage im Tal der Könige. Wenden wir uns jetzt aber unserer Grabanlage zu.
[1] Haremhab regierte von 1321 - 1293. Er war der letzte Herrscher der 18. Dynastie. Memphis war die Hauptstadt, von der die Verwaltung (Administration) des Landes ausging.
[2] Hornung, Erik: DAS GRAB DES HAREMHAB IM TAL DER KÖNIGE, Graz 1977
[3] Martin: AUF DER SUCHE NACH DEM VERLORENEN GRAB
[4] Martin ebd.
Die Sprüche aus dem Totenbuch rezitieren..."
Wir wissen, dass der Weg abwärts über die Treppe ein ritueller Weg ist, über den der Tote in die Unterwelt gelangt. Bevor er das Goldhaus betritt, muss er die Sprüche 144, 145 und 146 des Buches vom »Herausgehen am Tage"[1] aufsagen, damit ihm die Tore geöffnet werden und er eintreten kann. Sie erzählen von der Fahrt des verklärten Toten in der Nachtbarke durch die Unterwelt (Duat). Der Tote muss beweisen, dass er die Namen aller Götter, alle Namen des Osiris sowie die Namen der sieben Tore und der einundzwanzig Pforten, die den Zugang zum Totenreich bilden, kennt. Aber das ist noch nicht alles. Auch jeder Torwächter trägt einen Namen. Wenn alle Namen ausgesprochen worden sind, öffnet sich das Tor zum jeweiligen Bereich. Ich werde einiges von dem, was zu sprechen ist, zitieren.
Der «Spruch« um einzutreten" lautet für Haremhab:
„:[...].
Öffnet dem Osiris[2] Djeser-cheperu-re[3],
bereitet ihm den Weg, dass er an euch vorbeiziehe,
denn er ist Djeser-cheperu-re!
Öffnet ihm den geheimnisvollen Platz
und fürchtet ihn, die ihr mit ihm sprecht![4]
.[...]." Wenn der König sich dem ersten Tor nähert, sagt er:
»Der mit umgedrehtem Gesicht,
der Vielgestaltige« ist der Name
des Wächters vom ersten Tor.
«Der Verhörende» ist der Name dessen, der es hütet.
«Der mit klagender Stimme» ist der Name dessen,
der in ihm anmeldet.45
Am dritten Tor heißt es gar:
»Der das verfaulte aus seinem Hinterteil frisst«
ist der Name des Wächters...
»Der mit wachsamem Gesicht« ist der Name dessen,
der es hütet.
»Der Mit Schmähreden« ist der Name dessen,
der in ihm anmeldet..."45
Und der Spruch 145 lautet, wenn er am fünften Tor steht:
„Gib mir den Weg frei, denn ich kenne dich,
ich kenne deinen Namen und ich kenne den Namen des Gottes,
der dich bewacht..."
Am siebenten Tor heißt es weiter, wenn ich die Namen ausgesprochen habe: 45
„O ihr sieben Tore und ihr,
die ihr den Tordienst für OSIRIS"[5] verseht,
die ihr die Tore bewacht... Osiris Djeser-cheperu-re kennt euch und kennt eure Namen!
.[...].
Lasst den Osiris Djeser-cheperu-re in Frieden vorbeiziehen,
wenn er in der Sonnenbarke dahinfährt!
.[...].
Im Goldhaus beginnt der Regenerationsprozess[6]. Er geht der Wiedergeburt voraus. Danach wandert der König den Weg in umgekehrter Richtung, bis er als strahlender Sieger über den Tod seine Transfiguration" [7] und Verschmelzung mit seinem Vater Re erreicht hat und mit der Sonne zum Himmel emporsteigen kann.
Dazu wird der Spruch 17[8] aufgesagt.
„Anfang der Erhebung und Verklärungen
des Herausgehens und (wieder) Hinabsteigens im Totenreich.
Verklärt zu sein im Schönen Westen[9],
sich im Gefolge des OSIRIS[10] befinden
und von den Speisen des WENNEFER[11] zu kosten.
Herauszugehen am Tage,
jegliche Gestalt anzunehmen, die er (der Tote) wünscht,
das Brettspiel spielen und in der Halle sitzen.
Als lebendiger BA[12] herauszugehen
durch Djeser-cheperu-re Haremhab, nachdem er bestattet wurde.
Nützlich ist es für den, der es auf Erden vollzieht.
Es geschieht die Rede des Allherrn (Atum):
Nun beginnt Spruch 17. den ich der Länge wegen nur
in Auszügen wiedergebe:
1 Ich bin ATUM, der ich allein war im Urgewässer...
2 Ich bin der Große Gott, der von selbst entstand...
5 Ich bin das Gestern. Ich kenne das Morgen...
8 Ich bin jener Phönix, der in Heliopolis ist,...
13 Ich wandle auf dem Weg, den ich kenne, der Insel der Seligen zu.
.[...].
15 Ihr, die ihr vor (mir) seid - reicht mir die Hände! Ich bin es, der zu euch geworden ist.
.[...].
19 Denn ich bin einer von diesen Göttern die im Gefolge des Horus sind, der für den spricht, den sein Herr liebt.
20 Gruß euch, ihr Herren der Maat, Kollegium, das OSIRIS umgibt...
.[...].
23 0 RÊ, der in seinem Ei ist,
der in seiner Sonnenscheibe leuchtet
.[...].
mögest du Djeser-cheperu-re (Haremhab) retten
vor jenem Gott mit geheimer Gestalt,
.[...].
24 Mögest du Djeser-cheperu-re retten
vor diesen Wächtern der Gänge (?),
den Schlächtern mit geschickten Fingern,
den schmerzhaft Köpfenden...
Sie sollen sich meiner nicht bemächtigen,
und ich soll nicht in ihre Kessel fallen.
.[...}.
Nicht soll ich denen, die über dem Feuerbecken sind,
als Opfer dienen,
denn ich bin im Gefolge des Allherrn...
Ich fliege als Falke...
26 0 ATUM, Herr des Großen Tempels, Fürst aller Götter –
rette doch den Djeser-cheperu-re vor Jenem Gott,
der das Gesicht eines Hundes hat
.[...].
der Hüter jener Windung des Feuersees,
der Laichen verschlingt und Herzen ausreißt,
der Wunden zufügt, ohne gesehen zu werden.
.[...]
31 Rette doch den Djeser-cheperu-re vor jenem Gott,
der die BAs raubt und das Verweste verschlingt,
der von Fäulnis lebt
.[...].
[1] Das so genannte Totenbuch oder das Buch vom Herausgehen am Tage ist eine Sammlung magisch-wirksamer Sprüche, die rezitiert werden, damit das Notwendige geschieht. Die Bezeichnung „Totenbuch" ist eine moderne Namensgebung. Ich habe aus der Übersetzung von Erik Hornung zitiert: DAS TOTENBUCH DER ÄGYPTER. 1979
[2] Jeder Verstorbene wird osirisgleich, daher der Titel „Osiris" Haremhab. Er wird dem Namen vorangestellt.
[3] Der Thronname des Haremhab lautet vollständig: Djeser-cheperu-re Setep-en-re.
[4] Spruch 144
[5] Hier ist der Gott Osiris gemeint.
[6] Wiederherstellung des Körpers
[7] Verklärung, hier mit der Bedeutung, dass der Tote zu einer ACH-Seele wird. Er ist rein und kann überall verweilen.
[8] Hornung ebd.
[9] Totenreich
[10] Die Großschreibung erfolgt hier, um einen Unterschied zu machen zwischen dem Gott OSIRIS und dem bloßen Titel Osiris, den der Verstorbene trägt.
[11] Beinname (Epitheton) des Gottes OSIRIS
[12] BA ist ein Wesensbestandteil des Menschen. BA ist der Seele nicht unähnlich
Die Haremhabwand 14
Wir wenden uns der großen Wand zu, weil diese in einem Raum vor der Grabkammer angebracht sind. Sie sind Teil des rituellen Weges, daher lesen wir sie, bevor wir uns dem Sarkophag nähern.
Die Wanddekoration stammt aus dem Vorraum (Schacht) des Königsgrabes KV 57. Die Malerei im Grab selbst erfolgte auf einem feinen Flachrelief in Stuck. Die farbigen Bilder heben sich von einem blauen Hintergrund ab. Das feine Flachrelief des Originals konnte hier aus technischen Gründen nicht übernommen werden.
In den ersten Räumen des Grabes steht der König vor den Göttern der Nachwelt. Er erscheint auf der Wand mehrfach, weil die lange Szene in mehrere Handlungsschritte gegliedert ist.
Das Dekorationsprogramm
Das Dekorationsprogramm in Königsgräbern ist ein anderes als in Privatgräbern. Während in den Beamtengräbern, den Gräbern der Noblen, Inhalte des Totenbuches Verwendung fanden, wurden für die Königsgräber von den zuständigen Priestern ausschließlich Inhalte aus den Unterweltsbüchern ausgewählt. Während das Totenbuch ein Sammlung magisch-wirksamer Sprüche (Zauberformeln) ist, die der Versorgung und Sicherung des Toten dient, haben die Unterweltsbücher andere Inhalte. Es sind theologische Werke, in deren Mittelpunkt der Sonnenlauf steht. Zu den bekanntesten Büchern zählt das Amduat oder das Buch "Von dem, was in der Unterwelt (Dat) ist". Von den Ägyptern wurde es "Die Schrift von der Verborgenen Kammer" genannt. Es berichtet ausführlich von der Fahrt des Sonnengottes durch die 12 Abteilungen (12 Nachtstunden) der Unterwelt, von seinem Untergang (Tod) bis zu seinem morgendlichen Aufgang (Wiedergeburt). Während der Fahrt kommuniziert der Gott mit den Toten und lässt sie mit allem Notwendigen versorgen. Das Amduat „ist das erste religiöse Traktat, der den König konsequent in den täglichen Sonnenlauf einbeziehen will“.[1] Wenn wir die Deckendekoration besprechen, dann werde ich ein weiteres Unterweltsbuch vorstellen.
Was hat das Dekorationsprogramm zum Inhalt? Horus geleitet den König vor die Göttin Isis. Sie trägt das Gehörn der Hathor mit der Sonnenscheibe auf ihrem Haupt. Mit dem Beinamen „Herrin des Himmels" vertritt sie die Himmelsgöttin Nut, die im Dekorationsprogramm fehlt. Unter den Wandbildern dominiert Hathor. Sie trägt die Hieroglyphe „Westen" auf dem Haupt, die wir bereits von der Sonnengottwand her kennen. Sie ist die Erscheinungsform der großen Göttin, d.h. Isis, Hathor und die Westgöttin erscheinen als verwandte Aspekte einer einzigen großen Göttin, der Urmutter.[2] Alle drei treten in ihrer Funktion als mütterlicher Schutz des Toten und Herrin der Nekropole auf.
Die Texte
Wir beginnen links mit dem Gott Horus, der den König vor die Göttin Isis führt. Als Horus Behedeti kennen wir ihn in seiner Rolle als Welten- und Himmelsgott, in welcher er bereits in der Frühzeit Ägyptens landesweit in Erscheinung trat. Seine Bedeutung und damit auch sein Vorrang vor anderen Göttern erwarb er sich durch sein Auftreten im kosmischen Geschehen als Flügelsonne. Als Weltengott umspannte er mit seinen Flügeln schützend die Erde. Seine Augen sind Sonne und Mond. Horus von Behedeti, der »Buntgefiederte«, erscheint am Tempel von Edfu als geflügelte Sonnen-scheibe. Diese Erscheinungsform geht auf eine Legende zurück, in der berichtet wird, wie Horus die Feinde des Rê abwehrt. Hier im Grab des Haremhab, erscheint er als Sohn und Helfer der Isis, daher Harsiese[1]. Als Flügelsonne begegnen wir ihm noch mehrfach.
Horus begleitet den König über die Schwelle des Todes hinweg zu seinem Vater, der am Ende der Szene steht. Auf seinem Falkenkopf sitzt die Doppelkrone. Er und auch der König sind mit dem symbolischen Stierschwanz, der am Gürtel befestigt ist, ausgestattet.
Die Beischrift des Horus beginnt in Kolumne 1, wir lesen von rechts nach links. Die Schlange und der Stab bedeuten "Es spricht..." oder "Spruch des...". Wir wissen, dass jetzt eine wörtliche Rede folgt.
Horus spricht die Worte:
1 Es spricht Harsiese(Horus-Sohn-der-Isis):
3 „Ich bin gekommen, um dein Schutz zu sein.
4 Ich habe deinen Kopf und deine Glieder zusammengefügt.
5 Ich habe dir den Thron des Osiris übergeben."
Da der König das Schicksal des Osiris erleidet, der von seinem Bruder Seth ermordet und zerstückelt worden ist, müssen die Glieder auch wieder zusammengefügt werden. Mit der Thronübergabe übernimmt er die Herrschaft als Osiris Haremhab im Totenreich.
Dann folgt die Schutzformel:
5 Aller Schutz, alles Leben, alle Dauer, alles Glück, alle Gesundheit, alle Herzensfreude sind um ihn.
Diese Formel hüllt den Betreffenden in einen wirksamen Schutzmantel ein, d.h. in ein Ener-giekleid von magischer Wirkkraft
Die Beischrift vor dem König beginnt mit zwei Titeln. Er ist der...
6 Herr der Beiden Länder Djesercheperure - Setepenre
7 Herr der Diademe Haremhab-geliebt-von-Amun, wahr an Stimme,
8 bei Osiris, dem großen Gott, dem Herrn des Westens.
Die Bezeichnung "wahr an Stimme" besagt, dass er vor dem Totengericht ein glaubhaftes Bekenntnis abgelegt hat. Er ist frei von Sünden und als solcher rein, er darf nunmehr im Jenseits als Gott unter Göttern verweilen. Osiris ist der Herr des Westens, d.h. Herr der Nekropole. Im Westen geht die Sonne unter, d.h. Re steigt hinab in die Unterwelt, um den Toten Licht zu bringen.
Der König Trägt das Nemeskopftuch und den Zeremonialbart. Der überreich geschmückte Schurz unterstreicht seine Würde. Er tritt vor die Göttin Isis, die Große, die Herrin des Himmels(9), welche ihn mit folgenden Worten empfängt:
10 „Ich bin gekommen zu dir, mein leiblicher Sohn,
11 (mein) geliebter,..."
Als Große Mutter empfängt sie ihn als "ihren leiblichen Sohn".
12 damit du seiest im
13 Himmel wie (es bei) Rê (ist).
Die Beischrift zwischen dem König und Isis:
14 Du bist gepriesen von mir,
15 Herr der Beiden Länder!
16 Ich bin gekommen, damit ich dein Schutz sei[1], immerdar.“
Hinter Isis steht eine Schutzfonnel:
17 Aller Schutz, alles Leben, alle Dauer, alle Herrschaft, alle Gesundheit, alles ist um sie herum.
Die Göttin trägt ein Gewand mit Federmuster. Das Trägerkleid lässt die Brüste unbedeckt. Dann wird der mütterliche[2] (nährende) Aspekt der Göttin sichtbar. Die Kuhhörner[3]gehören wiederum zur Symbolik der Großen Mutter, die die Sonne hervorbringt (gebiert) und am Abend in sich aufnimmt (verschluckt).
Die Beischrift vor dem König beginnt wieder mit den bekannten Titeln:
18 Herr der Beiden Länder Djesercheperure - Setepenre,
19 Herr der Diademe Haremhab-geliebt-von-Amun, gerechtfertigt
20 bei Osiris, dem Herrn von Busiris (Djedu).
Auch für die Göttin Hathor ist der König "ihr geliebter Sohn". Sie empfängt ihn mit den Worten:[4]
21 Worte zu sprechen: »Ich bin gekommen zu dir, (mein) Sohn,
22 geliebter, Horus mit wirksamen Entschlüssen",
23 damit du seiest im Himmel wie (es bei) Re (ist)."
24 Worte zu sprechen durch
25 Hathor, Oberste von
26 Theben, Herrin der Nekropole, die den Herrn der Beiden Länder beschützt.
[1] Wörtlich: „…, um zu sein als dein Schutz, …“
[2] Die Große Mutter des Uranfangs verkörpert sich auch in Isis, Hathor, Nut u.a.
[3] Die Kuhhörner mit der Sonnenscheibe sind die Attribute der Göttin Hathor. Isis erscheint gelegentlich so, weil sie - wie auch Hathor - den Mutteraspekt vertritt.
[4] Hathor gilt auch als Mutter des Horus, daher ihr Name, der "Haus des Horus" bedeutet (siehe Abb. 13, Seite 17). Sie ist aber auch die Gattin des Horus. In Edfu, dem Hauptkultort des Horus, wurde jährlich die heilige Hochzeit gefeiert. Zu diesem Zweck kam Hathor aus ihrem Tempel viele Kilometer nordwärts in einer Barke nach Edfu, um das heilige Ritual zu feiern. Es war ein Erneuerungsfest.
Die Ritualhandlung des Königs besteht im...
27 Darbringen von Wein, spenden aus einem Mischkrug (nemset).
Vor der Göttin Hathor steht ein Text, der - wie die Beischrift vorschreibt - zweimal rezitiert werden muss, damit die magische Kraft wirksam wird:
28 Ich habe dir den Thron des Osiris übergeben, damit du zufrieden seiest (zweimal zu rezitieren).
Die Beischrift hinter der Göttin Hathor lautet:
29 Alles Leben sei um sie[1] wie (es bei) Re (ist).
Hathor erscheint hier - wie auf der Sonnengottwand - als Westgöttin (Totengöttin). Wir erkennen sie wieder an der Hieroglyphe für "Westen" auf ihrem Haupt; dass es sich aber um Hathor han-delt, erfahren wir aus der Beischrift.
Im letzten Teil der Szene steht der König vor Osiris. Der König ist wieder mit dem reich orna-mentierten Schurz bekleidet. Osiris erscheint In seiner Mumiengestalt mit den Herrschersym-bolen: Krummstab und Flagellum. Er trägt die Atefkrone, Der gebogene Bart, der sich vom Königsbart unterscheidet, kennzeichnet ihn als Gott. Osiris steht auf einer Erhöhung. Wir nennen diese Maatbasis. Die Maat ist die Weltordnung, will uns also sagen, dass die Maat auch in der Unterwelt Gültigkeit hat, denn von der Maat leben alle, Götter wie Jenseitige.
Wieder werden des Königs Titel aufgeführt (Kolumne 30 - 32). Nun richtet der Gott Osiris seinerseits Worte an ihn, den er seinen "Sohn" nennt, weil er als ein "Horus auf Erden" galt, der nun zu seinem Vater in die Unterwelt gekommen ist.
Die Beischrift vor dem König lautet:
30 Herr der Beiden Länder Djesercheperure - Setepenre,
31 Herr der Diademe Haremhab-geliebt-von-Amun, gerechtfertigt
32 bei Osiris, dem großen Gott, dem Herrn von Abydos.
Die Beischrift vor, über und hinter Osiris lautet:
33 Worte zu sprechen: „Ich bin gekommen zu dir, mein geliebter Sohn,
34 Horus, der zufrieden ist
35 mit der Maat.“
36 Osiris, Vorsteher
37 der Beiden Länder, Wennefer, der große Gott, Herrscher der Ewigkeit.
[1] Im Original unleserlich, hat zu einem Schreibfehler geführt. Richtig muss es „sie“ heißen, so dass die Viper durch ein „s“ , in der Schreibung als „Türriegel“ (Suffix, 3. Pers.) ersetzt werden muss .
Die Beischrift vor dem König lautet:
38 Den Gott preisen (viermal zu rezitieren), auf dass er Leben schenke
Hinter dem Gott Osiris:
39 Aller Schutz, alles Leben, alle Dauer, alle Gesundheit sind um ihn jeden Tag.